"Ohne erhobenen Zeigefinger"
Am Gymnasium Maxdorf startet Projekt zur Alkoholprävention für Achtklässler
Von Julia Köller
MAXDORF. Tom und Lisa planen eine Party. Sie laden Freunde ein, suchen sich Musik aus und müssen eine wichtige Frage klären: Soll es auf der Feier Alkohol geben oder besser nicht? Diese Szenerie ist die Ausgangssituation des Projekts „Tom und Lisa“, eines Workshops zur Alkoholprävention für Jugendliche. Zum ersten Mal gibt es das Projekt nun in den achten Klassen des Gymnasiums Maxdorf.
Suchtprävention ist dort sonst unter anderem Teil des Biologieunterrichts. „Es ist mal eine andere Herangehensweise, dass sich die Schüler auf spielerische Art mit dem Thema befassen“, sagt Fachleiterin Anja Schmelter. Ein Spiel mit ernstem Hintergrund, denn immer wieder werden Jugendliche mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert.Anette Schilling kennt diese Fälle aus ihrer Arbeit. Für das Projekt „Halt – Hart am Limit“ geht sie ins St. Annastift in Ludwigshafen, um mit betroffenen Jugendlichen zu sprechen. „Wir haben nicht den erhobenen Zeigefinger“, erklärt die Diplom-Sozialpädagogin von der Fachstelle Suchtprävention im Haus der Diakonie Ludwigshafen. Vielmehr gehe es darum, vor dem Konsum von hartem Alkohol zu warnen. „Es werden fast ausschließlich Jugendliche eingeliefert, die Hochprozentiges getrunken haben“, sagt Schilling.
Mit der Aufklärung bei den Achtklässlern anzusetzen, scheint genau der richtige Zeitpunkt zu sein. Einige der im Schnitt 14-Jährigen in der Klasse 8b haben schon erste Erfahrungen mit Alkohol gemacht – entweder selbst oder bei Freunden. Einen Rausch erlebt haben sie jedoch nach eigenem Bekunden noch nicht. Viele sagen sogar, dass sie es blöd finden, wenn andere Jugendliche unter 16 Jahren zu Alkohol greifen. „Da habe ich schon keine Lust mehr. Das muss doch nicht sein“, meint etwa Sibel.
So wie Sibel tragen alle Schüler bei der fiktiven Party Spielnamen. Jeder soll ohne Scheu seine Meinung und Erfahrungen mitteilen können. Das Gesagte bleibt im Klassenraum. Und so gibt „Christian“ auch zu, dass er gelegentlich ein Bier mit seinem Vater trinkt. Schief angeschaut wird er dafür nicht. Und auch von Anette Schilling muss er sich deswegen keine Strafpredigt anhören. Sie will informieren und das Bewusstsein dafür fördern, wie gefährlich übermäßiger Alkoholgenuss gerade in jungen Jahren werden kann.
Das Spiel beginnt deshalb damit, dass erst einmal das Wissen der Schüler abgefragt wird. Ab wann dürfen welche Getränke konsumiert werden? Wie hoch ist der Alkoholgehalt in Mischgetränken? Schilling lobt: „Ich erlebe es selten, dass eine Klasse das so gut einschätzt.“ Zum Einstieg in den zweiten Projekttag werden die Ergebnisse eines Eltern-Interviews besprochen. „Die Eltern werden bewusst einbezogen“, erklärt Anja Schmelter.
Es zeigt sich, dass die Schüler offenbar gut mit ihren Eltern über das Thema reden können. Die Jungen und Mädchen sind teilweise sogar überrascht, wie verständnisvoll ihre Eltern reagieren würden, wenn sie auf einer Party Alkohol getrunken hätten. „Meine Mutter meinte, sie würde mich erst mal ins Bett schicken“, erzählt eine Schülerin. Niemand stellt sich anschließend zu der Karte mit „wütenden und schimpfenden Eltern“. Die größte Gruppe bildet sich stattdessen bei der Antwort „Meine Eltern wären besorgt und würden mit mir darüber reden wollen“.
Neben theoretischem Wissen über die Wirkung und den langsamen Abbau von Alkohol im Blut hat Sozialpädagogin Schilling auch praktische Übungen mitgebracht. Mit einer sogenannten Rauschbrille dürfen die Schüler ausprobieren, wie sich ihre Wahrnehmung im Rauschzustand verändern würde. Und auf der gespielten Party kommt es am Ende zum Ernstfall: Ein Schüler hat zu viel getrunken und verliert das Bewusstsein. Seine Freunde müssen jetzt die vorher gelernte stabile Seitenlage anwenden und auch einen Rettungswagen rufen. Denn auch das ist eine wichtige Botschaft des Projekts: Jugendliche sollten auf andere achten und im Notfall einschreiten. Für die Klasse 8b gibt es die Bestnote. „Das haben sie sehr gut gemacht“, sagt Anette Schilling.
In allen achten Klassen wird es in den kommenden Wochen die Party von „Tom und Lisa“ geben – dann unter der Leitung der Biologie-Lehrer. „Wenn es sich bewährt, wollen wir das jedes Jahr in den achten Klassen machen“, erklärt Anja Schmelter. Die Schüler haben es auf jeden Fall gut angenommen und viel Neues erfahren. Ein Erfolg wäre es schon, wenn Schüler wie der Junge mit dem Spielnamen Christian auch in einigen Jahren noch sagen: „Ich habe kein Verständnis dafür, wenn man es mit dem Alkohol übertreibt.“
Quelle:
Die Rheinpfalz - Ludwigshafener Rundschau - Nr. 107
Freitag, den 9. Mai 2014 | S. 20 | Autorin: Julia Köller